150 Jahre St. Othmar

 

1873 – 2023

150 jähriger Bestand

der Pfarre zum
heiligen Othmar unter den Weißgerbern

Wie kam es zu St. Othmar

Der in Wien 1797 geborene Fürsterzbischof von Seckau, Joseph Othmar Ritter von Rauscher, wurde durch Kaiser Franz Joseph am 26. Marz 1853 auf den Wiener Bischofsstuhl berufen. Dies war auch eine Schicksalsstunde für die Gemeinde der Weißgerber; doch davon später.
Drei Jahre waren seit der Revolution 1848 mit ihren bedeutenden gesellschaftlichen Veränderungen vergangen. – Das zweite Gotteshaus der Weißgerbervorstadt, die kleine Margarethenkirche für 300 Gläubige, auf dem heutigen Radetzkyplatz gelegen, nahezu 160 Jahre alt und durch die Zeit unansehnlich geworden, erwies sich infolge der ständigen Zunahme der Bevölkerung als nicht mehr ausreichend. Deshalb überreichte die Vorstadtgemeinde am 23. Juli 1851 eine sehr gut motivierte und durch Druck veröffentlichte Eingabe an den Gemeinderat der Haupt- und Residenzstadt Wien, betreffend die „Regulierung eines Wohngebietes“. Im Mittelpunkt desselben sollten eine neue Kirche mit dem Pfarrhof und eine Schule errichtet werden.
Über diese Eingabe fand aber im Wiener Gemeinderat nicht einmal eine Beratung statt. Demzufolge überreichte eine Deputation der angesehensten Gemeindemitglieder der Weißgerber am 18. Juli 1853 bei einer Audienz dem Kaiser Franz Joseph I. ein Bittgesuch, das darin gipfelte, sich fortan Franz-Joseph-Stadt nennen zu dürfen.
Davon erhoffte man sich „alle Vorteile“ für die weitere Entwicklung der wachsenden Gemeinde. Die Errichtung einer Pfarre wäre dann, nach mündlicher Zusicherung von Generalvikar Weihbischof Zenner und den meisten Domherren von St. Stephan, eine der ersten segensreichen Folgen. Doch der Kaiser fühlte sich nicht gewogen, dem Gesuch zu willfahren und dieses gelangte durch den von ihm befragten Wiener Gemeinderat im November 1853 abschlägig zurück. Schließlich, nach weiteren drei Jahren, trat in der Grundgerichtskanzlei am 16. Janner 1856 eine große gemischte Kommission aus Vertretern der Erzdiözese, des örtlichen Klerus und der Gemeinde Wien wegen der Errichtung einer selbständigen, von der Landstraße gänzlich unabhängigen Pfarre unter den Weißgerbern und wegen des Ankaufes eines geeigneten Platzes für den künftigen Kirchenbau für 4000 Seelen, den Pfarrhof und die Schule zusammen.
Nach sechs Wochen lehnte aber der Wiener Gemeinderat einen Grundkauf mit der Begründung ab, daß vor 15 Jahren wohl schwerlich eine Kirche gebaut werden würde. – Im Oktober 1861 kam es dann unerwartet zu einem einhelligen Gemeinderatsbeschluß zur Erhebung der Filiale Weißgerber zu einer selbständigen Pfarre, weil die Seelenanzahl der Weißgerber über 8000 gestiegen war.
Entscheidend für den Kirchenneubau und die Errichtung der Pfarre war, daß der Fürsterzbischof von Wien, Kardinal Joseph Othmar Ritter von Rauscher, im Dezember 1862 60.000 Gulden für diesen Zweck zur Verfügung stellte. Die Überraschung und Freude unter der Bevölkerung war sehr groß!
Bereits am 23. Dezember, um die Mittagsstunde, hatten die Kirchenvorsteher die Ehre, in einer längeren Audienz von Kardinal Rauscher empfangen zu werden und eine Dankadresse, wie es damals üblich war, zu überreichen.

In dieser hieß es wörtlich:

Eminenz!

Die ehrfurchtsvoll gefertigte Kirchenvorstehung zu St. Margaretha unter den Weißgerbern ist von dem lebhaftesten und tief gefühltesten Danke durchdrungen für das großartige, wahrhaft kaiserliche Geschenk zur unverzüglichen Erbauung einer Pfarrkirche, die für die täglich sich vermehrende Bevölkerung zu einem unabweisbaren Bedürfnisse geworden.
Sichtbar waltet die göttliche Vorsehung bei den Kirchenbauten unserer Vorstadt, indem stets die erhabensten und mächtigsten Personen der Kirche und des Staates die Gründer dieser Gotteshäuser und Förderer waren.
Zur ersten Kirche, welche 1673 dort erbaut wurde, wo jetzt an der Hauptmaut am Glacis die Dreifaltigkeitssäule zum Gebete winkt, spendete die fromme Margaretha, Gemahlin Leopold des Großen, 1.000 Gulden und auf ihr vielvermögendes Wort erhob sich rasch der Bau zu Ehren der Allerheiligsten Dreifaltigkeit. Als 1683 bei der türkischen Belagerung die Kirche niedergebrannt und die kahlen Mauern gar traurig nach Hilfe umherblickten, wurde, auf dem gegenwärtigen Kirchenplatz, das zweite Gotteshaus erbaut, zu welchem Kaiser Leopold I., zum Andenken an seine inzwischen verstorbene Gemahlin Margaretha, 1.000 Gulden gab, durch seinen mächtigen Einfluß die Vollendung der Kirche 1692 bewirkte, welche, zu Ehren seiner Gemahlin, der heiligen Jungfrau und Märtyrin Margaretha geweiht wurde.
Die Kaiserin Maria Theresia mit ihrem Kronprinzen Joseph, der Titus des Österreichischen Kaiserhauses, Ferdinand I. und seine fromme Gemahlin, Maria Anna, der in Menschengestalt einherwandelnde Engel der Wohltätigkeit, die Kaiserin Carolina Augusta, die erhabensten Eltern Seiner Majestät des Kaisers Franz Joseph L., viele durchlauchtigste Prinzen, hochwürdigste Bischöfe und Prälaten haben bei verschiedenen kirchlichen Feierlichkeiten im Laufe der Jahre diese Kirche mit ihrer Gegenwart verherrlicht.
Sollte darin nicht die Hoffnung, ja die Bürgschaft, einer noch glänzenderen Zukunft liegen? Und in der Tat, diese Hoffnungen haben sich in überraschender Weise erfüllt.
Eminenz haben mit Bewunderung erregendem Großmut, der in gegenwärtiger Zeit Geist und Herz doppelt erquickt und erfrischt und überall die allgemeinste Anerkennung findet, nicht 1.000, sondern 60.000 Gulden in kurzen Raten zu spenden geruht, zum unverweilten Bau einer neuen, dritten Kirche, welche wieder etwas weiter abwärts, und zwar im Mittelpunkte der Vorstadt, auf einem umsichtsvoll vom löblichen Gemeinderate bereits angekauften Grunde, sich erheben wird.
Sollte nach unserer geringen Einsicht und unmaßgeblichen Meinung das neue Gotteshaus nach seinem Gründer nicht Othmarkirche heißen und zu Ehren des heiligen Abtes Othmar geweiht werden, da Wien ohnehin drei Pfarrkirchen des heiligen Joseph besitzt, um nach Jahrhunderten noch den Beter und Vorüberwandelnden ein unvergängliches Denkmal der seltensten Großmut und der liebevollsten Sorgfalt eines wahrhaft guten Hirten sein? Nicht, als ob Eminenz zur Verewigung eines solchen Denkmales bedürften, nein! Die Kirchen- und Weltgeschichte wird diesen Namen in ihren Büchern mit unvergänglichen Lettern verzeichnen.

Wien, den 22. Dezember 1862
eh. Georg Rieder (Benefiziatkurat)
eh. Johann Pazem (Kirchenvater, bürgerl. Holzhändler)
eh. Georg Pollak (Kirchenvater, bürgerl. Kirchengärtner)

Diese Adresse wurde, sicherem Vernehmen nach, von Seiner Eminenz sehr gut aufgenommen, zuerst in der Donauzeitung, dann in der Morgenzeitung und anderen Blattern wörtlich und in der Wiener Zeitung im Auszuge mitgeteilt. Nur der Volksfreund und die Wiener Kirchenzeitung brachten sie nicht, weil sie noch immer an die Wahrheit nicht glauben wollten. Die Zeitungen fast aller Sprachen des Kaiserreiches nahmen davon Notiz, daß in Wien eine Othmarkirche erbaut werden sollte .
Die Baupläne für unsere Pfarrkirche stammen von Freiherrn Friedrich von Schmidt, dem damaligen Dombaumeister zu St. Stephan und Erbauer des Wiener Rathauses. Die Ausführung oblag dem Baumeister Josef Hlavka. Nach achtjähriger Bauzeit wurde die Kirche am 24. August 1873 dem ,,HI.Othmar“ geweiht. Das Patronzinium sollte auf Wunsch der Pfarrgemeinde an den Wiener Diözesanbischof, Kardinal Othmar von Rauscher, erinnern.
Erster Pfarrer wurde Franz Riediger, Diözesanbischof war zu dieser Zeit Kardinal Josef Othmar v. Rauscher. Sein Wappen ist im Turmraum ( Haupttor ) zu sehen, ebenso das Wappen der Pfarre. Bezugnehmend auf die ursprüngliche Bevölkerung, die meist aus (Weiß-)Gerbern und Gärtnern bestand, zeigt es zwei springende Ziegenböcke und eine Artischocke.
Die Kirche ist im neugotischen Stil gebaut und hat die Maße:
Länge 52m, Höhe des Innenraumes 20m, Breite 8.70m, dazu die beiden Seitenschiffe zu je 4.70m. Der Turm ist mit 80m einer der höchsten in Wien.

Am 16. und 17. September 2023 war es dann soweit

9 Monate dauerte die Vorbereitung auf das Jubiläum unserer Pfarrkirche.
Wir bereiteten uns im Gebet auf das Patrozinium mit einer großen Novene vor. Wir baten jeden Monat um den 17. herum den hl. Othmar, unsere Anliegen und Bitten vor Gott zu bringen.
Die Feierlichkeiten boten auch einen sehr schönen Anlass, sich mit der Geschichte der Pfarre auseinanderzusetzen. Wir vertieften uns in die Chronik, in die Tauf- und Geburtsbücher sowie in die Trauungsbücher. Wir gingen durch die Zeit. Kaum lesbare Handschriften in großen, schweren Kompendien wechselten zu modernen Büchern, die heutzutage aus Formularausdrucken gebunden werden.

Über 25.170 Taufen und 14.150 Hochzeiten wurden in der Kirche zu        St. Othmar gefeiert, so viele Einwohner haben Leoben oder Klosterneuburg.
In diesen Monaten haben wir gesehen, wie wichtig die Chronik ist. Es sind kleine Geschichten und große Ereignisse dokumentiert. Es lässt sich erkennen, wie damit umgegangen wurde. Wie sie wahrgenommen wurden, welche Bedeutung ihnen hier in dieser Gemeinde zur jeweiligen Zeit gegeben wurde. Diese Zeitreise hinterließ in uns oftmals Staunen, manchmal ein Lächeln oder auch Unverständnis.
Wir näherten uns den Feierlichkeiten aber auch organisatorisch. Es wurden Ideen gesammelt, Teams gebildet und geplant. Als die Einladungen geschrieben und ausgetragen waren, war es sozusagen öffentlich. Es gab kein Zurück mehr. Die Größe des Vorhabens, manche Gedanken und Visionen ließ einige staunen und zweifeln, andere wurden dadurch beflügelt und angefeuert.
Ein zweitägiges Fest sollte es werden für die Menschen, die das Leben rund um die Pfarrkirche zu dem machen, was es ist, die diesen Ort mit seiner ganzen Buntheit definieren. Es sind Familien, Paare, Alleinstehende aus den verschiedensten Ländern, Kulturen und Religionen mit ihrer Geschichte, ihren Freuden und ihrem Leid. Sie alle sollten mitfeiern und ihren Beitrag leisten können und im Mittelpunkt steht Gott und diese Kirche.
So wurde bei – Gott sei Dank – strahlendem Spätsommerwetter in tatkräftigem Zusammenhelfen und ansteckender Begeisterung ein großes Fest gefeiert.

Am Samstag, dem 16.September wurde die Kirche im Rahmen von Führungen erklärt und nähergebracht. Der Kirchturm konnte bestiegen und Wien aus einer Höhe von fast 80m bestaunt werden.
Es präsentierten sich die Blaulichtorganisationen Rettung, Polizei und Feuerwehr. Die Fahrzeuge, die Ausrüstung und die Mitarbeiter*innen und Kameraden konnten hautnah erlebt werden. Es wurden viele Fragen gestellt und beantwortet. Ein Polizeihund zeigte, wie er seinen Dienst leistet.
Die Pfadfindergruppe 9 saß vor ihrem Zelt am Lagerfeuer und man konnte sägen, Dosenschießen und auf der Slackline balancieren.
Die Pfadfinder der armenischen Gemeinde und die Jugend und Jungschar der Pfarre St. Othmar nutzten die gesperrte Kolonitzgasse für Spiele, Kinderschminken, Seifenblasen und als große Leinwand für Strassenkreidekunst.
Und wer eine Pause brauchte, fand diese vor dem Garten des Pfarrhauses bei Kaffee und Kuchen, bei schönen Begegnungen und interessanten Gesprächen.
Den Abschluss fand dieser Tag bei einer feierlichen Vesper in der Pfarrkirche.

Der Sonntag, 17. September begann mit dem Festgottesdienst mit Erzbischof Christoph Kardinal Schönborn. Musikalisch gestaltet wurde die Feier vom Arnold Schoenberg Chor unter der Leitung des Gründers Erwin Ortner. Dieser Chor ist entstanden aus dem ehemaligen Kirchenchor der Pfarre St. Othmar.
In der sonnendurchfluteten Kirche war die Freude der vielen jungen Familien, der Pfarrgemeinde und der Gäste spürbar. Sie waren gekommen, um die Gegenwart Gottes und das Leben zu feiern. Die Kirche war voll, es wurden Bänke in die Kirche hineingetragen, um genug Sitzplätze zu schaffen.
Inmitten von vielen Kindern, die um den Altar standen, sang Seine Eminenz das Vaterunser und die Kinder trugen den Friedensgruß in die Pfarrgemeinde hinaus.
Die Messe endete mit einer kurzen Rede von Bürgermeister Michael Ludwig und Dankesworten unseres Pfarrers Dariusz, der heuer sein 20. Jahr als Pfarrer in St. Othmar tätig ist.
Der zweite Höhepunkt des Tages und der Abschluss der Feierlichkeiten begann mit einem Lied des Schulchors der VS Kolonitzgasse vor dem Portal der Pfarrkirche – ein Frühschoppen um den Brunnen am Kirchenplatz.
Die Gastwirte der Umgebung überraschten die Feiernden mit kulinarischen Beiträgen – Gockel, Wild, Lucky Pavillon, Masaniello und die Tuna Moschee sorgten mit ihren Spezialitäten für das leibliche Wohl, und die Blasmusik Don Bosco unterhielt mit ihrer Musik die Feiernden bis weit in den Nachmittag.

Es war ein würdiges und lebhaftes Fest, das das Leben in unserem Grätzl, das friedvolle Miteinander widerspiegelte und den Respekt voreinander und die Dankbarkeit für unser Zusammenleben mit dem Segen Gottes bestärkte.

DANKE an alle, die mitgeholfen haben,

dieses Fest zu dem Feiertag zu machen, der er wurde!