Geschichte der Weißgerbersiedlung bis zum Kirchenbau

Bereits um das Jahr 1158 ist ein kleines Dorf namens „Weihrochberg“, weit außerhalb der Stadtmauern von Wien an einem Arm der Donau gelegen, nachweisbar. Da die meisten Bewohner ihren Lebensunterhalt als Gerber verdienten, entwickelte sich daraus der Ortsname „Weißgärber“ (alte Schreibweise). Die seelsorgliche Betreuung erfolgte durch die Dompfarre St. Stephan zu Wien. Dies war aufgrund der häufigen Überschwemmungen des Donauarmes und des Wienflusses sowie der starken Kriminalität auf dem Weg vor allem bei Versehgängen sehr problematisch. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges zählte die kleine Ortschaft weniger als 1.000 Einwohner, die meisten von ihnen lebten in ärmlichen Verhältnissen.

Vorgängerkirchen des Vorortes

Wolfgangskapelle

Bis zur Ersten Türkenbelagerung, 1529, stand im Bereich der „scheffstraß“, im Bereich der heutigen Biberstraße eine Kapelle, die dem heiligen Wolfgang geweiht war. Diese war die erste Seelsorgestelle für die Menschen die „Unter den Weißgerbern“ lebten.

Dreifaltigkeitskapelle

Eine Stiftung des Ehepaares Urban und Sabine König und eine Spende der Kaiserin Margaretha von 1000 Gulden ermöglichten die Errichtung einer kleinen Kirche im Bereich der heutigen Rettungsgesellschaft in der Radetzkystraße. Die Kapelle wurde 1673 der heiligen Dreifaltigkeit geweiht, im Volksmund wurde sie jedoch auf Grund des von der Kaiserin gestifteten Margarethenbildes Margarethenkirchlein genannt. Die Freude an der neuen Kapelle währte jedoch nur kurz: Bei der Zweiten Türkenbelagerung brannten die Osmanen die kleine Kirche nieder und ermordeten den Priester Johannes Reischacher. Diese Begebenheit ist auf einer Seccomalerei in der Othmarkirche über dem Margarethen-Altar, rechts vom Hauptaltar, dargestellt. Zur Erinnerung wurde an der Stelle der Kapelle eine barocke Dreifaltigkeits-Pestsäule errichtet, die vor dem Gebäude der Wiener Rettungsgesellschaft steht. Ursprünglich stand diese Säule auf dem heutigen Rochusmarkt zwischen Rochus- und Nikolaikirche.

Margarethenkirche

Nachdem die erste Kapelle bei der Zweiten Türkenbelagerung bis auf die Grundmauern zerstört worden war, wünschten sich die Einwohner von Weißgärber abermals ein eigenes Gotteshaus. Das Ehepaar Dissler (nach ihnen ist die Disslergasse benannt) stellte den Baugrund für eine neue Pfarrkirche und einen Pfarrhof am heutigen Radetzkyplatz – an der Ecke zwischen Löwengasse und Radetzkystraße – zur Verfügung. Kaiser Leopold I. und der Fürstbischof von Wien Ernst von Trautson stellten den Weißgärbern beträchtliche Geldmittel zur Verfügung, sodass bereits am 7. April 1690 die Grundsteinlegung erfolgte. Die neue Kirche war auf ungefähr 300 Gläubige ausgelegt. Während der Bauzeit kaufte die Stadt Wien die Siedlung Weißgärber, machte sie zur Vorstadt und übernahm das Patronat über die Margarethenkirche. Erst 1746, 56 Jahre nach Baubeginn, wurde die Kirche geweiht. Sie wurde, wie schon der Vorgängerbau, eine Filiale der Dompfarre St. Stephan, in der ab dem Jahr 1762 Kuraten wirkten. Unter Kaiser Joseph II. wurde das Kuratbenefizium der Margarethenkirche von St. Stephan getrennt und der neugeschaffenen Pfarre St. Rochus und Sebastian auf der Landstraßer Hauptstraße zugeordnet. Der wohl bedeutendste Benefiziatkurat war wahrscheinlich Josef Franz Hegedys, Edler von Eröry. Er war 17 Jahre als Seelsorger in der Margarethenkirche tätig und stellte eigenmächtig, einen polnischen Hilfskaplan ein. In seine Zeit als Benefizkurat fiel unter anderem das hundertjährige Weihejubiläum am 12. Juli 1846. Als späterer Domherr von St. Stephan trug er wesentlich zum Bau der Othmarkirche bei. 1875 mussten Kirche und Pfarrhof, in dem sich die älteste Schule der Wiener Vorstädte befand, dem stärker werdenden Verkehr weichen. An der Stelle des Pfarrhofes steht heute ein Miethaus von Peter Gerl. Von der ehemaligen Margarethenkirche wurden einige Einrichtungsgegenstände in die neue Othmarkirche übertragen, so das Altarbild und zwei weitere Bilder, die seit einer Renovierung in den 1960er-Jahren im Presbyterium der Othmarkirche hängen, sowie das barocke Prozessionskreuz, das noch bei Hochfesten getragen wird.

Links unterhalb des Stubentors ist die Wolfgangskapelle zu sehen (Ausschnitt aus dem Albertinischen Plan von 1421)
Dreifaltigkeitssäule
Margarethenkirche

Pfarre St. Othmar

Durch das in der Nähe befindliche Zollamt und das Hauptmünzamt, aber auch durch die Donauschifffahrt und die Errichtung der Verbindungsbahn erlebte das Weißgerberviertel einen großen Aufschwung. 1851 misslang den Weißgerbern der Versuch, beim Wiener Gemeinderat und zwei Jahre später bei Kaiser Franz Joseph I. das Interesse an der Errichtung einer neuen und großen Kirche, eines Pfarrhofes, einer Schule und einer eigenständigen Pfarre zu wecken. Bei Franz Joseph I. versuchten es die Weißgerber mit dem Angebot, die Siedlung nach Seiner Majestät zu benennen, jedoch ebenfalls ohne Erfolg. Nach vielen erfolglosen Verhandlungen stimmte der Erzbischof von Wien, Kardinal Othmar von Rauscher, im Dezember 1862 dem Bau einer neuen neugotischen Kirche und deren Finanzierung zu. Er stellte jedoch die Bedingung, dass der Auftrag an den damaligen Wiener Dombaumeister Friedrich von Schmidt ergehen musste. Der Dombaumeister plante den Bau ursprünglich als Staffelkirche, der jedoch nach Wünschen der Baubehörden verändert wurde und in Form eines Basilikabaues ausgeführt wurde. Schmidt war bei den Debatten im Wiener Gemeinderat anwesend und zog die städtebaulichen Kriterien den liturgischen Vorgaben vor. Er verzichtete etwa auf eine Ostung des Altares. Beim Bau dieser Kirche waren die städtebaulichen Kriterien von besonders großer Bedeutung: Das Gotteshaus steht auf dem Gartengrund es ehemaligen Palais Bechard, von dem neun Straßenzüge strahlenförmig auseinander laufen. Wichtig war, dass die Kirche von allen Seiten gut zu sehen war und die Gebäude rundum weit genug entfernt waren, da die Kirche den neuen Mittelpunkt der Siedlung darstellte. Der hohe Kirchturm war mit 80 Metern Höhe, auf Grund der geringen Distanz zur Innenstadt, ein Symbol der Darstellung des neuen Wiens, das im Zuge der Stadterweiterung viele neue Rechte zugesprochen bekam. Im Mai 1863 genehmigte die Baukommission des Magistrats die Pläne von Friedrich von Schmidt. Die Kosten wurden mit zirka 400.000 Gulden beziffert. Die Bauzeit des Turmes sollte drei Jahre dauern; für das gesamte Bauwerk waren sechs Jahre veranschlagt. Außerdem wurde der Bau eines Pfarrhofes und zweier Schulen beschlossen.

Am 17. Mai 1866 erfolgte die Grundsteinlegung durch Kardinal Othmar von Rauscher. Die Planung und Durchführung oblag Dombaumeister Friedrich von Schmidt, die Bauleitung dem Baumeister Josef Hlávka. Der Bau der Kirche verzögerte sich auf Grund der Wiener Weltausstellung 1873, aus Mangel an Arbeitern. Nach achtjähriger Bauzeit weihte Kardinal Rauscher die Kirche am 24. August 1873 in einer sechseinhalbstündigen Feier dem heiligen Othmar. Bis zum 31. Dezember 1873 war die Othmarkirche eine Filialkirche der Pfarre St. Rochus und Sebastian auf der Landstraße. Am 1. Jänner 1874, als die Pfarre St. Othmar eigenständig wurde, wohnten im Pfarrgebiet 15.052 Bürger, von denen 12.010 Katholiken waren. Das Pfarrgebiet wurde aus Teilen der Pfarren Landstraße, Erdberg und Rennweg gebildet. Die Ausschmückung des Kircheninneren dauerte bis 1875. Nach dem Tod Kardinal Rauschers ging eine Reliquie des heiligen Othmars aus seinem Nachlass an die Pfarre. Sie wird in einem Schrein im rechten Querschiff aufbewahrt. 1896 wurde die Kirche erstmals einer Innenrenovierung unterzogen und seit 1904 ist sie elektrisch beleuchtet. Im Ersten Weltkrieg, 1917, mussten erstmals drei der vier Glocken abgeliefert werden. 1929 ließ sich die Pfadfindergruppe 9 im Pfarrgebiet nieder. In den Jahren 1934 bis 1936 erfolgte eine Außenrenovierung der Kirche. 1944 wurde die Kirche im Kapellenkranz von einer Bombe getroffen und schwer in Mitleidenschaft gezogen. In den Nachkriegsjahren wurden die Schäden mit Unterstützung der Gemeinde Wien behoben. Erst 1960 war die Schadensbehebung vollständig abgeschlossen. Die Pfarre schaffte unter Pfarrer Josef Sedlmayer neue Sitzbänke für das vordere Kirchenschiff an, adaptierte die alten Sitzbänke und ließ eine Blitzschutzanlage sowie eine elektrische Heizung installieren. Vorher wurde die Kirche über einen großen Kamin beheizt. Unter Pfarrer Kaszimierz Wojtowicz fanden zahlreiche Umbauarbeiten statt. So wurden unter anderem die Taufkapelle und die Auferstehungskapelle neu gestaltet. Unter Pfarrer Jan Mazurek wurde im Jahr 1993 das Presbyterium renoviert. In den Jahren 1998 bis 2001 erfolgte eine Renovierung der Außenfassade. Heute leben im Pfarrgebiet, das von Wienfluss, Donaukanal, Wassergasse, Geusaugasse, Seidlgasse und Landstraßer Hauptstraße begrenzt wird, zirka 6.000 Katholiken.

 

Die Pfarrer in St. Othmar

Die Liste der Pfarrer von St. Othmar reicht bis in das Jahr 1874 zurück. Seit 1983 ist sie eine Ordenspfarre der Resurrektionisten.Pfarrer von St. Othmar ist seit September 2003 Dariusz Schutzki, der seit 1. September 2011 gleichzeitig als Bischofsvikar für das Vikariat Wien Stadt tätig ist.

Name  Wirkungszeit  Anmerkung
Franz Riediger  1874 – 1891  davor letzter Kurat der Margarethenkirche
Franz X. Weimar  1891 – 1914
Franz Hiessberger  1914 – 1924
Richard Joch  1924 – 1927
Franz Leibrecht  1928 – 1960
 Josef Sedlmayer  1960 – 1982
Kasimierz Wojtowicz  1983 – 1992  erster Resurrektionist
Jan Mazurek  1992 – 2003
Dariusz Schutzki Dechant ab 2005, seit 1. September 2011 Bischofsvikar für das Vikariat Wien Stadt
Pfarre St. Othmar
Pfarre St. Othmar
Pfarre St. Othmar
Pfarre St. Othmar
Pfarre St. Othmar